Wenn’s mal wieder länger dauert ...

… das haben sich wohl auch die Teilnehmer unserer Zahlungserfahrungsstudie gedacht. Wir haben im Spätsommer unsere Kunden und Kontakte gefragt, wie es ausschaut mit der Zahlungsmoral in Deutschland. 442 Unternehmen haben geantwortet – und das mit teils überraschenden Ergebnissen. Dass es konjunkturell derzeit bei uns nicht rund läuft, ist wohl jedem klar. Das wird auch in unserer Studie deutlich, zum Beispiel bei den durchschnittlichen Zahlungszielen (einem Zeitraum zwischen Erbringung einer Leistung und der Forderung einer Zahlung). Die Zahlungsziele wurden deutlich ausgeweitet zwischen 2019 und 2017, dem Jahr unserer letzten Zahlungserfahrungsstudie.

Im Durchschnitt geben die Unternehmen ihrem Kunden eine Woche mehr Zeit, um ihre Rechnungen zu begleichen. Das ist in gewisser Weise Standard am Markt. Klar, man hat ja oft langjährige Geschäftsbeziehungen und somit kommen die Unternehmen ihren Kunden an dieser Stelle etwas entgegen. Dennoch scheint diese Maßnahme nicht ausgereicht zu haben, um Zahlungsverzögerungen über den Zeitpunkt des vereinbarten neuen Zahlungsziels hinaus zu verringern. Im Gegenteil: 2019 berichteten 85 % aller Unternehmen, dass bei ihnen Zahlungsverzögerungen vorliegen. 2017 waren es „nur“ 78 %. Am extremsten ist es im Einzelhandel. Hier berichten 2019 sogar 89 % der von uns befragten Unternehmen von Zahlungsverzögerungen.

Die deutsche Zahlungsmoral befindet sich also auf dem absoluten Tiefpunkt? Mitnichten! Denn jetzt kommt der Clou am Ergebnis unserer Studie. Die Zahl der Verzögerungen nahm zwar zu, die Länge der Verzögerung, auch wenn sie in der Nettodauer noch erheblich ist, jedoch um ganze 6 Tage ab. Wie passt das zusammen? Tja, wenn ich ehrlich bin, geht’s den Unternehmern da so wie mir. Derzeit hänge ich bei meinen Studien zeitlich gesehen etwas hinterher. Also habe ich meinem Chef vorab gemeldet, dass ich mehr Zeit bräuchte – was er mir dankenswerterweise gewährt hat (ähnlich wie bei den Zahlungszielen). Doch statt mir nun entspannt Zeit zu lassen, arbeite ich natürlich dennoch auf Hochtouren und versuche möglichst schnell meine Studien abzuliefern. Ich hätte also die lange Ausweitung gar nicht unbedingt gebraucht.

Die Unternehmen in unserer Studie scheinen ähnlich zu funktionieren. Denn durch die Ausweitung der Zahlungsziele hat sich entsprechend die Zahlungsverzögerung verkürzt. Nimmt man beides zusammen, erhält man also den Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung nach erbrachter Leistung. Sie hat sich am Ende, trotz des schwierigeren Konjunkturumfelds, nur um 1 ½ Tage verlängert. Und das scheint am Ende für mich (und auch für meinen Chef) noch immer verkraftbar.

Wir haben Anfang November ein Webinar zur aktuellen Zahlungserfahrungsstudie veranstaltet und dort die Ergebnisse besprochen. Zur Aufzeichnung geht es hier.

Wenn Sie die weitere Details unserer Umfrage sehen wollen, speziell auch heruntergebrochen auf einzelne Branchen, dann besuchen Sie doch unsere Website: www.coface.de


Autor

Christiane von Berg

Regional Economist

E-Mail: kontakt-germany@coface.com