Endlich, es ist September! September ist ein Monat des Aufbruchs, da sind die Kinder wieder in der Schule und die Eltern machen sich startklar, um beruflich im Herbst noch mal so richtig Gas zu geben. Üblicherweise beginnt jetzt wieder die Zeit der Vorträge. Das ist dieses Jahr nicht anders, oder doch? Nun ja, die Vorträge bleiben, die Art und Weise ist aber vollkommen anders. Statt Konferenzen, die eine Anfahrt und Übernachtung oftmals in einer Großstadt mit sich bringen, schalte ich jetzt einfach meinen Rechner an, klicke mich durch ein Webseminar-Tool durch und schwupp bin ich drin (Boris Becker hätte seine Freude!).
Online-Vorträge sind eine Einbahnstraße
Das Vortrags-Erlebnis ist damit auch völlig anders. Wer meine Vorträge kennt, der weiß, dass ich mit viel Körpereinsatz arbeite. Auf Fotos von meinen Vorträgen sieht es aus, als würde ich Prognosen pantomimisch darstellen (böse Zungen behaupten, es sähe aus als ob ich zu YMCA tanze). Versuchen Sie das mal mit einer Webcam einzufangen! Ständig rudern meine Arme außerhalb des Bildausschnitts oder ein Online-Tool lässt nur die Folie als Bild zu. In dem Fall kann man dann nur noch durch die Stimme etwas „Bewegung“ in die Präsentation bringen.
Dabei ist mein größtes Problem eigentlich folgendes: Online-Vorträge sind eine Einbahnstraße. Ich werde zwar von den Teilnehmern gesehen, aber ich sehe keinen Teilnehmer. Ich kann also nicht erkennen, ob mein Publikum mir interessiert zuhört, es sich langweilt oder ich es vollständig verloren habe. Ich rede immerhin über Volkswirtschaft. Während mir die Inhalte völlig klar sind, heißt das noch lange nicht, dass ich es auch so erklärt habe, dass es dem Zuschauer ebenfalls völlig klar wäre. Normalerweise kann man das sehr gut von den Gesichtern ablesen oder daran, wie oft auf das Smartphone geschaut wird. Nur jetzt: Funkstille! Ich lächle in die Kamera und mache einfach weiter, denn „the show must go on!“ – mit oder ohne Publikum.
Das Adrenalin bei jedem Vortrag bleibt
Nach dem Ende eines virtuellen Vortrags falle ich regelmäßig in ein tiefes Loch. Denn das Adrenalin bei jedem Vortrag bleibt. Unter normalen Umständen würde ich mich jetzt mit den Teilnehmern noch länger unterhalten. In der Regel lerne ich bei solchen Gesprächen immer einige neue Dinge dazu, z.B. wie die Sicht unserer Kunden auf die aktuelle Konjunkturlage in ihrer jeweiligen Branche ist. Danach wird dann noch mit den Kollegen vor Ort geplaudert und schließlich mache ich mich auf den Heimweg. Das ergibt genug Zeit für einen langsamen Adrenalinabbau. Und jetzt?! Jetzt schnaufe ich einmal durch, mache mir den x-ten Kaffee und wende mich dem nächsten Punkt meiner To-do-Liste zu. Das mag zeiteffizient sein, doch obwohl ich zu fast 500 Personen gesprochen habe, habe ich dennoch keine einzige Person getroffen.