Paradoxe Zeiten

So, wir kommen nicht drum herum. Wir müssen mal über die aktuellen Zeiten reden. Ich spreche von Corona und Home-Office und der ganzen Situation, die darum entstanden ist. Es gibt massenweise Beiträge, die gerade das Leben der Deutschen zu Hause beschreiben sollen. Nur mit meiner Erfahrung hat das nun einmal nichts zu tun …

Erstens: Während alle über Langeweile schimpfen und sich die seltsamsten Beschäftigungen zulegen, geht mein Überstundenkonto als Volkswirtin gerade durch die Decke. Im Grunde ist man immer gefragt und die Regierungen dieser Welt stellen uns eine einzige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zur Verfügung. Denn jedes Mal, wenn die Regierungschefs sich mit ihrem Kabinett auf neue Maßnahmen einigen (so grob einmal pro eineinhalb Wochen, pro Regierung), heißt es für mich: Passt meine BIP-Prognose noch? Muss das Haushaltsdefizit weiter ausgeweitet werden? Wie ist der Effekt auf Insolvenzen?

Dann kommen natürlich noch einzelne kritische Kunden ins Spiel. Manche halten mir in „normalen“ Zeiten vor, dass ich das BIP gar nicht genau prognostizieren könnte, aufgrund von Unsicherheiten in Wirtschaftsbereichen, in denen kaum Daten veröffentlicht werden. Die gleichen Kunden wundern sich jetzt, dass jedes Institut, jede Bank und jede Regierungsbehörde, eine andere BIP-Prognose veröffentlichen. Da stellt sich natürlich die Frage: Welche Prognose ist denn nun korrekt? Und die Antwort lautet: Das kommt darauf an, welche Annahmen man getätigt hat. Da niemand von uns den Verlauf der Pandemie kennt und daher genau die Reaktion der Regierungen absehen kann, sowie das wirtschaftliche Verhalten der Bevölkerung danach, kann man derzeit wohl eher von einem professionellen Abschätzen (im schlimmsten Falle von „Raten“) sprechen als von einer handfesten Prognose.

Zweitens: Tja, und dann sitzen wir noch im Home-Office fest. Viele Sportexperten scheinen der Ansicht zu sein, dass sich deswegen die Arbeitnehmerschaft noch weniger bewegt als vorher. Ich denke, diese Aussage ist abhängig vom Beruf, der ausgeübt wird. Bei Büromenschen wie mir sehe ich das nicht. Denn wenn wir ehrlich sind: Die paar Schritte von der Haustür zum Auto und vom Auto zur Bürotür machen den Braten nicht fett. Tatsächlich aber beobachte ich derzeit eine Gegenbewegung. Der Punkt, dass freie Bewegung in einigen Ländern untersagt ist, scheint viele bewegungsfremde Menschen aus ihren Häusern herauszuholen. Ich habe selten derart viele wacklige Fahrradfahrer und ungeübte Jogger im Wald und den Feldwegen gesehen wie in den letzten Tagen. Wie immer hat das (vielerorts) Verbotene doch seinen Reiz!

Man sieht, es ist eine paradoxe Zeit, in der wir Leben. Ich wünsche mir, dass Sie dabei gesund und positiv bleiben und mal ehrlich und unter uns: Wenn das alles hier vorbei ist, dann mache ich mir erst mal ein paar schöne ruhige Tage zu Hause!

Autor

Christiane von Berg

Regional Economist

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